Zeitmanagement mit ADHS 1

 

Menschen mit ADHS haben oft ein anderes Zeitgefühl: "jetzt" oder "nicht jetzt". Ich habe mein ganzes Leben mit meinem eigenen "ADHS-Zeitgefühl" gelebt, deshalb ist es mir ein Rätsel, wie Zeit anders wahrnehmbar sein kann, und ich kann es nicht wirklich vergleichen. Ich habe jedoch Strategien entwickelt, meine Zeit zu managen, und gestern haben wir im Austausch unter ADHS-lern über Zeitmanagement ausgetauscht. Das will ich hier zusammenfassen und ergänzen. (Es hängt natürlich alles miteinander zusammen, die Einteilung passt nur vage):

Planen:

  • eine Agenda / Bullet Journal führen und immer dabeihaben, alles eintragen hilft, es nicht zu vergessen. 
  • Am Monatsanfang (siehe auch Monatskistchen), Wochenanfang, Tagesbeginn schauen, was für diesen Zeitraum wichtig ist, und das aufschreiben. (Bullet-Journal oder anderer definierter Ort, wo ich die Planung wiederfinde)
  • wiederkehrende Tasks auf Zettel/Kärtchen, und diese Zettel sind an einem definierten Ort. Von da können sie immer wieder hervorgenommen, die Tasks ausgeführt und die Zettel sortiert zurückgelegt werden.
  • Energielevel beachten und Pausen einplanen
  • Lieber wenige Tasks realistisch planen, das hilft, sie auch zu vollenden. Zu viel führt schnell zu Überforderung, Frust und Plan-aufgeben.
  • Ein "Accountability Buddy" (jemandem sagen, bis dann mache ich das), oder sonst eine verbindliche Deadline hilft, den Plan auch ernst zu nehmen und das Zeitbudget einzuhalten. Nicht nur ich verliere mich sonst im Perfektionieren und beliebig lange weitermachen ... bis ich auf ein interessantes Nebengeleise gerate und im Hyperfokus in einem andern Projekt bin ...

Reminder:

  •  Der Wecker im Handy hilft, an Termine (oder Medikamente, oder Pausen, ...) zu denken (so früh, dass genug Zeit fürs Bereitmachen und den Weg bleibt)
  • Einigen hilft es, die Uhr etwas vorzustellen (dass sie z.B. um 10.55 schon 11 Uhr zeigt). Mir persönlich hilft die genaue Zeit, weil ich sonst denke, ich hab ja noch Reserve, und die Reserve überschätze.
  • Ich kann meine Zeit am Vormittag gut im Blick behalten, aber am Nachmittag verliere ich mich oft in irgend etwas. Ein Wecker alle Stunden holt mich zurück und erinnert mich, mich zu fragen, was jetzt wichtig / wesentlich ist. Das kann auch ein Waldspaziergang sein, statt im Hyperfokus zu viel Energie zu verbrauchen.
  • Wenn ich eine Tätigkeit verlasse, hatte ich früher oft Angst, ich vergesse, wie ich weitermachen wollte. Nun schreibe ich mir im Bullet Journal auf, "weiter mit ...". Das hilft mir, zwischendurch abzuschalten, und dann den Anfang wieder zu finden.
     

 Visualisieren: Mir hilft es sehr, wenn ich Zeit "sehen" kann:

  • In der Tagesplanung schreibe ich die Stunden des Tages untereinander (2 Häuschen pro Stunde) und trage die Termine incl. Vorbereitung und Weg ein. So kann ich realistisch sehen, wie mein Tag funktionieren könnte.
  • Die Tasks sind mit G, K, R und dem geschätzten Zeitaufwand versehen. Damit kann ich sie energiegerecht einplanen und lernen, wie lange bestimmte Tasks so etwa brauchen. Die geschätzte Zeit (mit Timer) hilft mir auch, mich während dieser Zeit auf diesen Task zu konzentrieren.
  • Ein visueller Timer (Ich habe Yunabolt, von Amazon) hilft die verbleibende Zeit mit einem Blick zu sehen und erinnert mit dem Ton ans Ende, ans Nachschauen, was jetzt dran ist, oder ans nachspüren, was ich jetzt brauche (Pause? essen? Bewegung?, ... ).
  • Ich habe 3 kallrote Wanduhren, die ich von allen wichtigen Orten in der Wohnung sehen kann. Mit einem Saugnapf aufgehängt auch eine im Bad, die ich von WC und Dusche aus sehen kann.
  • Pomodoros (elektronisch als App oder auf Papier) sind übersichtliche Arbeits-Häppchen. Ich visualisiere sie gern als Häuschen in meiner Tagesplanung, so passen sie gerade in den Zeitstrahl.
     

Energie-Management und Motivation:

  • Wir brauchen mehr Energie, um in der neurotypischen Welt zu "fuktionieren", deshalb sind Pausen ganz wichtig. Auch wenn wir gerne weitermachen würden (Hyperfokus). Bewusst auszeiten nehmen zum Essen, hinausgehen, bewegen, für Stille usw.
  • Mindfulness: hier ist die Balance Mass zwischen Unter- und Überstimulierung wichtig. Z.B. eine Weile achtsam in der Natur sein, mit allen Sinnen wahrnehmen. Nach dieser bewussten Zeit bewusst einen Podcast hören, um das hungrige Gehirn mit genügend Reizen zu füttern.
  • Mir hilft es, die Energiezustäde "Genius", "kinästetisch" und "recharge" (nach Linda Walker) zu beachten. Ich schreibe G, K, R zu den Tasks in meiner Tagesplanung, habe meine Energielevels erkennen gelernt und kann so energiesparend produktiver sein. 
  • Etwas Interessantes hilft sehr beim Fokussieren. Wir können z.B. Hörbücher oder Podcasts nutzen, um sonst langweilige Tätigkeiten (abwaschen, putzen, 10'000 Schritte gehen, ...) leichter zu machen. Ich bekomme das Dopamin, das ich fürs Abwaschen brauche vom "Beziehungskosmos", von "a muses daydream von Jill Badonsky", vom "Huberman Lab" und Hörbüchern.
  • Wortwahl ist wichtig: "ich muss ..." (z.B. die Küche aufräumen) ist demotivierend. Wenn ich eine Formulierung finde, für etwas, das ich will, gehts viel besser: "ich will..." ( ... Platz um ein köstliches Pilzrisotte zuzubereiten und eine aufgeräumte Atmosphäre).

Weil es für mich so ein essenzielles Aha-Erlebnis war, teile ich das Video von Linda Walker hier noch extra:


 Gibt es noch etwas zum ergänzen?

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